Kolumne – Luxus auf Abwegen – Ihr Branchenexperte

Kolumne – Luxus auf Abwegen: Die Bundestagswahl liegt hinter uns. Unabhängig davon, wie es jetzt weitergeht, werden die Herausforderungen für den Parfümerie-Fachhandel 2025 sportlich. Neben den Stolpersteinen, etwa Überbürokratisierung und Abgabenlast, werden die Branche essentielle Wettbewerbsfragen wie der Onlinehandel, Konzentrationsdruck, vertikale Ansätze von Lieferanten, Discountierung der großen Ketten und Graumarktware begleiten. Fast schon den Stein der Weisen in der Hand hat, wer es bei dieser Fülle an Anforderungen versteht, betriebswirtschaftlich sinnvoll am Markt zu agieren.

Alternativprodukte als Zaubermittel, um sich vom Mainstream abzusetzen

Lange galten Alternativprodukte als Zaubermittel, um sich vom Mainstream abzusetzen, dem Preismarketing auszuweichen, Stammkunden zu gewinnen. Ultraselektive Kosmetik und Parfums waren DAS Instrument für den inhabergeführten Parfümerie-Fachhandel, sich angesichts der Konditionenspreizung im Markt im Wettbewerb mit den großen Ketten zu behaupten. Soweit die Theorie, die nicht mehr ganz der Praxis entspricht.

Markt für sogenannte Artistic Marken hat sich verändert

Der Markt für sogenannte Artistic Marken hat sich verändert. Das World Wide Web ist nicht nur ein Kommunikationskanal, das den Geheimtipps Sichtbarkeit und Bekanntheit gibt. Längst tummelt sich eine Menge von Playern am Markt, die das Wort Depotverträge bisher noch nicht gehört zu haben scheint. Manch ein Influencer, Betreiber eines Online-Shops oder Besitzer eines kurzfristig eröffneten stationären Stores mag sich denken: Warum angesagte Produkte nur loben und nicht selbst verkaufen? Was für ihn als toller Weg erscheint, die Anzahl der Follower in Geld umzumünzen, ist für die Marke hochriskant, zumindest wenn diese auf nachhaltigen Erfolg ausgerichtet ist. Elke Popp, Inhaberin der Kurfürsten Parfümerie in Mannheim und von Essenza Nobile und auf luxuriöse Nischendüfte und Kosmetik spezialisiert, sieht die Entwicklung kritisch:

„Wir befinden uns auf einem schmalen Grad, und ich frage mich, wo es hinläuft. Es scheint, dass jeder hingehen und sich die Marken besorgen kann, der eine Quelle aufgetan hat. ‘Ich besorge mir die angesagten Produkte irgendwo und verkaufe sie in einer Garage oder im Netz‘, ist die Devise. Wenn wir das nicht alle gemeinsam in den Griff bekommen, ist der Luxus irgendwann dahin.“
Erschwerend hinzukommt, dass zum Teil bezweifelt werden kann, ob die Ware echt ist. Das ist manchmal nur für den Profi zu erkennen. Für den autorisierten Parfümerie-Fachhandel ist der Parallelmarkt, schlimmstenfalls noch mit Plagiaten, der SuperGAU, ist doch der Wunsch nach Echtheit und Glaubwürdigkeit Bestandteil des Luxus.

Luxus auf Abwegen – Abnahmemengen, die kaum zu stemmen sind

In dieses Szenario platzt ein neuer Trend: Immer mehr Nischenanbieter fordern Abnahmemengen, die kaum zu stemmen sind, und das bei einem zunehmenden Graumarkt, womöglich noch flankiert durch die Implementierung eines Herstellereigenen Online-Shops. Es entsteht ein Teufelskreis, da die Ware für die autorisierten Händler noch schwerer zu verkaufen ist, was wiederum den Druck erhöht, die Ware über nicht autorisierte Kanäle abzuverkaufen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Erinnert Sie dieser Teufelskreis womöglich an die großen, im Preisverriss stehenden Marken?

Luxus auf Abwegen – Alle Rechte, aber keine Pflichten!?

Markenwerte kann man auch trotz selektiven Anspruchs zerstören. Es muss im Interesse der Lieferanten sein, diesen Auswüchsen einen Riegel vorzuschieben. Vielleicht sind Depotverträge ein Weg. Es kann nicht sein, dass sich der Händler krummlegen muss, um eine Marke zu bekommen. Diese aber die Produkte jedem verkauft, der sie haben will und den schnellen Euro damit machen will. Alle Rechte, aber keine Pflichten, das wird auf Dauer nicht funktionieren. Vor Aufnahme einer neuen Marke gilt: Lassen sich vom Lieferanten alle Zusagen auch schriftlich geben.

[Text/Bild: Dr. Andreas Leistikow]