Kommentar: Wegfindung – Viele Wege führen nach Rom

Prof. Dr. Guido Quelle über scheinbare Alternativlosigkeit und die Notwenigkeit bei der unternehmerischen Strategiefindung in alle Richtungen zu denken:

Kennen Sie das?

1. „Das ist nun mal so.“

2. „Daran führt kein Weg vorbei.“

3. „Dazu gibt es keine Alternative.“

4. „Das müssen wir genau so machen und nicht anders.“

Ich bin sicher, Sie kennen solche Sprüche. Was aber entgegnet man solchen Sätzen?

1. Nein. 2. Doch. 3. Doch. 4. Nein.

Es ist nicht so, es gibt immer einen anderen Weg, es gibt immer eine Alternative und wir müssen gar nichts „genau so und nicht anders“ machen.


Alternativlosigkeit?

Lassen Sie sich nicht blenden, wenn in strategischen oder operativen Meetings vermeintliche Alternativlosigkeit adressiert wird. Häufig sind es Wortführer, die entweder um eine kurze Diskussion bemüht oder der bereits längeren Diskussion überdrüssig, irgendwann zu solchen ultimativen Phrasen greifen. Der ultimative Charakter solcher Phrasen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass deren Inhalt dadurch nicht richtiger wird. Sätze, die keine Alternative zulassen, sind fast immer falsch und häufig einer mangelnden Fantasie, mangelnden Geduld oder mangelndem Interessen geschuldet.

Manchmal macht es Sinn, die Motive hinter solchen Phrasen zu erfragen:

  • „Warum sind Sie der Ansicht, dass kein Weg an dieser Lösung vorbei’ führt?“
  • „Wie kommen Sie zu Ihrer These, dass ‚dies einfach so‘ ist?“
  • „Welche Beobachtung haben Sie gemacht, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass es ‚keine Alternative‘ gibt?“

Mitunter führen die dann folgenden Ausführungen zu einer Rechtfertigungsarie, die Sie nicht weiterbringen, in manchen Fällen lohnt es sich aber, weil die Menschen, die den ultimativen Einwand vorgebracht haben, nachdenken und zu der Erkenntnis kommen, dass es möglicherweise sehr wohl Alternativen zu der von ihnen durchdachten Lösung gibt. Vielleicht sind sie teurer, komplizierter, ungewöhnlicher, noch nicht vorstellbar, aber es gibt sie.
Es gibt immer Optionen und es ist gerade bei strategischen Themen, Projekten, einer Wachstumsstrategie wichtig, diese Optionen sämtlich auf den Besprechungstisch zu legen, denn anderenfalls laufen Sie Gefahr, einen Aspekt nicht berücksichtigt zu haben. Das Resultat ist dann nicht selten ein „Hätten wir doch …“.

Brainstorming und Durchführung

Insbesondere in der Ideenfindung ist Alternativlosigkeit ein Fortschrittskiller. Es gibt eine Regel für Brainstormings, die zu selten berücksichtigt wird: alle Ideen werden wertfrei gesammelt. Selbst wir als Berater, die mit diesen Methoden täglich mehrfach umgehen, sind nicht davor gefeit, Ideen bereits zu werten. Daher ist es wichtig, dass in einem Brainstorming immer jemand darüber wacht, dass Ideen nicht schon in der kreativen Phase im Nirvana des Verworfenen verschwinden.
Aber auch in der Durchführung beschlossener Entscheidungen, bei der es um das möglichst effektive und effiziente Erreichen von Resultaten geht, gibt es Optionen. Auch hier darf sich niemand darauf zurückziehen, sich mit Scheuklappen durch das Projektfeld zu pflügen, weil ja vermeintlich alles beschlossen sei. Die Führung muss vielmehr darauf achten, dass die Mitarbeiter sich in Bezug auf die zu erreichenden Resultate im Rahmen der unternehmerischen Leitplanken und Regeln frei bewegen können.

Resultate

Der Schlüssel zu Alternativen, zu Optionen ist ein resultatorientiertes Denken, das im Ziel beginnt und den kürzesten Weg zwischen dem heutigen Zustand und dem angestrebten Resultat sucht. Der kürzeste Weg ist stets die Gerade, aber auch Umwege können lohnen, wenn sie dem Ziel dienen. Effektivität genießt einen höheren Rang als Effizienz. Ermuntern Sie also Ihre Mitarbeiter, in Alternativen zu denken. Machen Sie es sich zum Sport, mindestens drei völlig unterschiedliche Lösungen für ein Problem zu finden und halten Sie Ihre Mitarbeiter an, dies auch zu tun. Verbitten Sie sich Sätze, die eine Alternativlosigkeit suggerieren, in Meetings, an denen Sie teilnehmen.

Gefahr

Die größte Gefahr ist, dass wir in Meetings nicht sofort erkennen, dass Teilnehmer des Meetings sich auf nur eine einzige Option fokussieren. Die entsprechenden Formulierungen haben wir schon so oft gehört, dass sie unter unsere Wahrnehmungsschwelle gerutscht sind.

Re-Sensibilisieren Sie sich. Nehmen Sie ganz präzise wahr, wenn Menschen nur ihre eigene Meinung verteidigen wollen und nur ihren eigenen, aus welchen Gründen auch immer, präferierten Weg nach Rom gehen wollen.

Nein!

Wenn das nächste Mal jemand nach langer, weitschweifiger Ausführung zu Ihnen abschließend und bekräftigend sagt „Das ist einfach so!“, antworten Sie einfach einmal mit „Nein!“ und fordern Sie Alternativen. Sie werden sich wundern, was geschieht.

[Bild/Text: Prof. Dr, Guido Quelle Mandat]