Ist der Facheinzelhandel nicht mehr systemrelevant? Ein Kommentar von Elmar Keldenich, Geschäftsführer des Bundesverband Parfümerien. Douglas versuchte einen Großteil seiner Filialen trotz des harten Lockdowns vor Weihnachten offen zu halten. Dafür mussten die Düsseldorfer viel Kritik einstecken. Schon einen Tag später ruderte Douglas Chefin Tina Müller zurück und entschuldigte sich [FAZ Artikel]. Was Widerspruch provozierte und für viele Kunden nicht nachvollziehbar war, wirft ein Schlaglicht auf eklatante handwerkliche Mängel in der Umsetzung der Schließungsbeschlüsse von Bund und Ländern: Zu Lasten des Facheinzelhandels.
Was ist eigentlich täglicher Bedarf?
Für den 16. Dezember hatten Bund und Länder, um die Verbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen, die vorübergehende Schließung des Einzelhandels verfügt. Nicht davon betroffen waren Geschäfte, die Produkte „des täglichen Bedarfs“ anbieten [WAZ]. Dazu zählten neben dem Lebensmittel-Handel auch Reformhäuser, Babyfachmärkte, Sanitätshäuser, Tierbedarfsmärkte und natürlich Drogerien und Versandhandel.
Facheinzelhandel nicht systemrelevant
Geschlossen wurde dagegen der gesamte Facheinzelhandel: Baumärkte, Bekleidungsgeschäfte, Sportartikelhändler, Elektronikläden, Antiquitäten- und Gebrauchtwarenhändler, Möbelläden, Juweliere, Parfümerien, Buchläden und Spielzeuggeschäfte. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der in manchen Branchen mehr als ein Fünftel des gesamten Jahresumsatzes erwirtschaftet wird.
Der Verkauf geht woanders weiter
Der Haken an der Sache, in vielen Bundesländern geht der Verkauf der betroffenen Sortimentsbereiche weiter. Zu Lasten der geschlossenen Wettbewerber. Wer schließen muss und wer öffnen darf, wird anhand von Sortimentsschwerpunkten festgelegt. Das führt zu der paradoxen Situation, dass Verbrauchermärkte, die neben Lebensmitteln in erheblichem Umfang andere Sortimente wie Spielzeug oder Elektronik oder Haushaltswaren verkaufen oder Kleinkaufhäuser, die als Drogerien firmieren, aber auch Spielzeug, Parfümeriewaren, Schreibwaren und vieles mehr anbieten, diese auch weiter verkaufen dürfen.
Gigantische Wettbewerbsverzerrung sind nicht alternativlos!
Das Ergebnis ist eine gigantische Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten des Facheinzelhandels. Das es auch besser geht, zeigt nicht nur das europäische Ausland, sondern auch einzelne Bundesländer: Dort orientierte man sich an Produktgruppen. Was im Fachhandel nicht angeboten werden darf, darf auch woanders nicht verkauft werden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit im Sinne von Chancengleichheit, Fairness uns Solidarität!
Die aktuellen Regelungen unterstützen einzelne Vertriebsformen und lasen ganze Branchen im Regen stehen. Die einmal verlorenen Weihnachtsumsätze kommen nie mehr zurück.
Frage nach den Grenzen zwischen Spezialitäten und Grundversorgung!?
Doch zurück zu Douglas: Parfümerien verkaufen neben Parfums auch einen erheblichen Anteil pflegender und dekorativer Kosmetik. Es muss die Frage erlaubt sein, warum die Politik Wirkstoffkosmetik und Schönheitspflegeprodukte auf das Abstellgleis schiebt, während Konsumkosmetik in vollem Umfang weiter verkauft werden darf. Sind die Produkte aus der Parfümerie weniger wichtig als die aus der Drogerie? Zum Nachdenken: Im Lebensmittel-Einzelhandel z.B. wird nicht zwischen Spezialitäten und Grundversorgung unterschieden. Wahrscheinlich weil die Grenze heute kaum noch zu ziehen ist. Wer will eine solche Entscheidung also für die Kunden treffen?
Folgen für Wettbewerb, Kunden und Kommunen überdenken!
Bei aller berechtigten Kritik an der Douglas-Entscheidung und allem Verständnis für die Notwendigkeit der zum Infektionsschutz getroffenen Entscheidungen: Hier zeigten sich grundsätzliche Probleme in der politischen Umsetzung der Schließungsbeschlüsse von Bund und Ländern. Sollte die Beschleunigung des Strukturwandels im Einzelhandel vorrangiges Ziel der Politik sein, ist die aktuelle Handhabung der Schließungsbeschlüsse sicherlich ein probates Mittel. Welche Folgen eine, auch unbeabsichtigte, Zerschlagung des Fachhandels für Wettbewerb, Kunden und Kommunen nach sich zieht, sollte jedoch nicht unberücksichtigt bleiben.
[Text: Elmar Keldenich/Bilder: Parfümerienachrichten]
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