Streiks schaden dem Einzelhandel – nur dem Einzelhandel?

Elmar Keldenich, Geschäftsführer des Bundesverband Parfümerien e.V.

Die aktuellen Streiks schaden dem Einzelhandel. Das sollte eigentlich der Titel meines Kommentars zum Thema sein. Leider, das wurde mir schnell klar, greift diese Überschrift zu kurz.Die völlig unverhältnismäßigen Streiks und die verantwortungslose Klientelpolitik einzelner Gewerkschaften schaden inzwischen nicht nur der Wirtschaft oder nur dem Handel, sondern der gesamten Gesellschaft.

Sicherlich, auch die Innenstädte leiden, durch den Bahnstreik finden immer weniger Kunden den Weg in die Stadt und damit in die Geschäfte. Touristen bleiben weg. Geschäftsreisen werden abgesagt oder verschoben. Waren und Mitarbeiter erreichen Ihr Ziel nicht oder zu spät. Der Urlaub beginnt für viele mit langen Staus. Zum Glück gibt es noch Fernbusse, Privatbahnen und bei vielen ein Auto.
Im Falle der Bahn mag man hoffen, dass mit dem in Kraft treten des Tarifeinheitsgesetzes der Spuk endlich vorbei ist. Doch die Hoffnung ist verfrüht. Das führt uns Verdi mit den Streiks der Mitarbeiter der Städtischen Sozial- und Erziehungsdienste in Kindergärten, Kindertagesstätten und anderen Einrichtungen drastisch vor Augen.

Tarifeinheitsgesetz verspricht keine Besserung

Ohne Rücksicht auf die finanzielle Lage der Kommunen wird gestreikt. Fakt ist, schon heute fehlt vielen Städten und Gemeinden das Geld an jeder Ecke. Dringend notwendige Investitionen werden aufgeschoben oder gestrichen, Schulen und Freizeiteinrichtungen werden geschlossen, Gebäude verfallen, der öffentliche Personennahverkehr wird zusammengestrichen, Fahrpläne ausgedünnt. Auch in den Stadtverwaltungen wird gespart, dass es kracht. Die Arbeitsbelastung von immer weniger städtischen Mitarbeitern steigt jeden Tag.
Unter diesen Umständen erscheint es deplatziert, wenn eine Gewerkschaft Höhergruppierungen fordert, die faktisch Lohnsteigerungen von im Durchschnitt rund 10 Prozent entsprechen. Hier scheint die Frage angebracht, warum Einkommenssteigerungen nicht auch, wie sonst üblich, von der finanziellen Lage des Arbeitgebers abhängig gemacht werden. Ist es sinnvoll, das Fell zu verteilen, bevor der Bär tot ist, oder auch nur gesehen wurde? Können wir und wollen wir uns immer neue Schulden noch leisten?

Die Zeche zahlen wir alle – Mitarbeiter, Bürger, Unternehmen

Die Leistungen der Mitarbeiter in den Sozial und Erziehungsdiensten steht außer Frage, dennoch, die kommunalen Arbeitgeber stehen mit dem Rücken zur Wand – wenn Verdi sich durchsetzt werden wir am Ende alle die Zeche bezahlen müssen. Die Bürger und Unternehmen über höhere Steuern und Abgaben. Die Erzieherinnen und Erzieher durch Arbeitsplatzverluste, auslaufende Zeitverträge und noch schlechtere Betreuungsschlüssel, die Eltern durch größere Gruppen, weniger Erzieher pro Kind und eine schlechtere und wahrscheinlich teurere Betreuung des Nachwuchses und auch der alten oder behinderten Menschen.
Das gilt auch für die Bahn. In Nordrhein Westfalen wird die neue Strecke des Rhein Ruhr Express, wie inzwischen auch viele andere Strecken, in Zukunft von einem Bahnkonkurrenten bedient. Zum Glück, mag man als streikerprobter Bahnkunde sagen. Das ehemalige Staatsunternehmen war schlicht und einfach zu teuer. Stellenstreichungen bei der DB im Fahrbetrieb wie in der Wartung sind schon jetzt absehbar.

Rücksichtslose Macht- und Klientelpolitik

Angesichts dieser Tatsachen müssen sich die Gewerkschaften gefallen lassen, dass man Ihnen vorhält, dass sie sich durch ihre rücksichtslose Macht- und Klientelpolitik Schritt für Schritt aus der Solidargemeinschaft verabschieden. Sie schaden nicht nur der Wirtschaft, sondern letztlich der gesamten Gesellschaft, ihren eigenen Mitgliedern und bürden die ausufernden kommunalen Schulden kommenden Generationen auf.
Es wird Zeit, dass der gewerkschaftlich organisierten Umverteilungspolitik Einhalt geboten wird, von der Politik aber auch von Seiten jedes einzelnen Bürgers. Es ist bequem, Geld zu verteilen, das nicht da ist, insbesondere wenn die Folgen erst in der Zukunft sichtbar werden. Wohin das führen kann, sehen wir in Südeuropa und die Zeche zahlen letztlich, wie üblich, wir alle.

[Text: Elmar Keldenich/Bild: Bundesverband Parfümerien e.V.]